Autobiografie

Wer jetzt denkt: „Oh eine Biografie über ein Auto, die wollte ich schon immer mal lesen!“ – diesen Leser muss ich leider enttäuschen. An dieser Stelle möchte ich Geschichten und Anekdoten aus meinem Leben erzählen. Das Besondere an diesen Geschichten ist, dass sie so oder so ähnlich oder so überhaupt nicht stattgefunden haben. Das ist wie bei X Faktor: Einige Geschichten sind wahr, andere fast wahr und die dritte Gruppe ist die der berühmten alternativen Fakten. Der Leser darf selbst entscheiden, in welche Kategorie er die Geschichten einordnet. Nur ein Tipp: Die unglaublichsten davon sind oft wahr. Denn das Leben schreibt die besten Geschichten.

Am Ostseestrand

Ich sitze am Strand vor einem großen Findling und ruhe mich von meiner Wanderung aus. Meine Gedanken sind irgendwo, nur nicht hier. Ein Pärchen – ungefähr in meinem Alter – nähert sich und grüßt mich. Ich zucke vor Schreck zusammen. Dann kommt es zu folgender Unterhaltung:

Mann: „Ich wollte Sie nicht erschrecken. Habe ich Sie irgendwo bei gestört?“

Ich: „Oh ja, ich habe gerade versucht, mit Hilfe meiner Gedanken den Stein anzuheben.“

Mann, erstaunt, mit dummem Gesicht: „Waaas?“

Ich: „Ich habe versucht, den Stein anzuheben. Mit meinen Gedanken.“

Mann, lachend: „Und? Schon Erfolg gehabt?“

Ich: „Ja, er hat schon gewackelt.“

Mann, ungläubig, wieder mit dummem Gesicht: „Waaas?“

Ich: „Naja, das Problem ist, der Stein steckt zu tief im Sand. Wenn ich mich zu stark konzentriere, schnippt der Stein wahrscheinlich aus dem Sand, fliegt ein paar Meter hoch und beim Runterfallen erschlägt er mich. Also muss ich den Stein schräg in Richtung Ostsee schleudern. Sie verstehen mein Problem?“

Mann, zeigt auf einen kleinen Stein und sagt: „Ich glaube Ihnen kein Wort! Können Sie mir das mal an diesem kleinen Stein zeigen und ihn anheben?“

Ich: „Ich verschwende doch nicht meine Kraft an so einen kleinen Stein, den kann doch jeder schweben lassen, sogar Sie!“

Die Frau fängt lauthals an zu lachen, ich lache auch.

Mann „Was ist? Warum lacht ihr? Komm, lass uns weitergehen! Der spinnt doch…“

***

Eigentlich fängt man eine Biografie nicht fast am Ende an, aber ich fand die Geschichte gut und sie war noch ziemlich frisch in Erinnerung. Deshalb möchte ich jetzt mit einer Geschichte aus meiner frühen Kindheit aufwarten. Eine Geschichte von einer großen Persönlichkeit, die mein ganzes Leben (na gut, meine ganze Kindheit) mit geprägt hat – und zwar vom

Sandmännchen.

Im Kindergarten war Fasching und einer meiner besten Kindergartenfreunde hatte ein Sandmännchen-Kostüm an. Richtig echt schön in allen Grautönen gehalten, die man so aus dem Schwarz-Weiß-Fernsehen kannte. Erst viele Jahre später habe ich gesehen, dass das Sandmännchen ja bunte Kleidung trug! Aber damals war dieser graue Anzug völlig authentisch für uns. Mit dem Kostüm war er jedenfalls der absolute Star unter uns. Ich hatte ein Chinesen-Kostüm an, eigentlich wie jedes Jahr, bis ich aus diesem rausgewachsen bin.

Der Höhepunkt war, als mein Freund erzählte, wie er an das Kostüm kam:

Er saß mit seiner ganzen Familie vor dem Fernseher und alle schauten Sandmännchen. Da geschah das Unfassbare: Das Sandmännchen fiel aus dem Fernseher und stand auf einmal im Wohnzimmer der Familie! Als wir das hörten, blieben uns die Münder weit offen stehen. Klar, wir wussten alle, dass sowas mal passieren kann, dass jemand aus dem Fernseher fällt, aber ausgerechnet das Sandmännchen! Boa, da staunten wir gewaltig und er erzählte weiter:

Das Sandmännchen musste nun aber zurück ins Fernsehstudio, und da es in seiner Kleidung aufgefallen wäre, haben mein Freund und das Sandmännchen ihre Kleidung getauscht – so konnte das Sandmännchen unerkannt zurück ins Fernsehstudio fahren. Und mein Freund hatte ein super Faschingskostüm bekommen!

Ich sitze heute noch oft vor dem Fernseher und hoffe, dass eine hübsche Schauspielerin mal rausfällt, direkt auf mein Sofa. Das habe ich vorsorglich direkt unter den Fernseher gestellt, damit sie sich nicht weh tut…

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Wie jedes Kind hatte auch ich einige nicht so schöne Erlebnisse. Von einem solchen Erlebnis möchte ich jetzt erzählen. Es hat meinem damaligen Weltbild, dass alle Menschen lieb sind, einen ordentlichen Dämpfer versetzt…

Das ultimativ Böse

Der Frühling neigte sich dem Ende und die ersten heißen Sommertage begannen. Die Sonne schien herrlich in den Garten meines Kindergartens. Wir hatten gerade den Mittagsschlaf beendet und durften nun im Garten spielen. 

Da sah ich es: Es funkelte in der Sonne – ein 50-Pfennig-Stück! Ich hob es auf, mein erstes Geld! Ich war begeistert und wollte es unbedingt jemandem erzählen. Als erstes lief mir ein kleines Mädchen vor die Füße. Ich wunderte mich, dass es noch da war, denn meistens wurde es schon nach dem Mittagessen abgeholt. Aber das war mir jetzt egal, ich musste meinen Fund zeigen. Sie schaute mich an und sagte: „Ah, das habe ich verloren, gib es mir wieder!“ Ich schaute verdattert und sie sagte: „Nur deshalb bin ich doch heute Nachmittag da, weil ich mein Geld suche!“

Da hatte ich keine Argumente mehr. Und da ich gut erzogen war, habe ich ihr die 50 Pfennig gegeben.

Sie nahm das Geld und rannte geradewegs auf die Erzieherin los, zeigte ihr das Geld und rief: „Schauen Sie mal, was ich gerade gefunden habe!“ Ich war fassungslos, so eine Gemeinheit Nach dem ich mich wieder beruhigt hatte, ging ich zu ihr und forderte die 50 Pfennig zurück. Daraufhin schubste sie mich um und rannte wieder zur Erzieherin. Ich sprang wieder auf und rannte hinterher. Sie schrie weinerlich schon von Weitem: „Der will mir das Geld wegnehmen und hat mich gehauen!“ Im Nu war die Erzieherin bei mir und während sie mir einen Klaps auf den Po gab, sagte sie: „Hier wird niemand gehauen und auch kein Geld gestohlen! So, du stellst dich jetzt in die Ecke und kannst dir überlegen, was du falsch gemacht hast. Du bist ein richtig böser Junge!“

Ich wusste sehr schnell, was ich falsch gemacht hatte: Ich hatte mich mit dem ultimativ Bösen angelegt und war darauf nicht vorbereitet gewesen. 

Ich habe damals nicht mehr mit dem Mädchen geredet, aber all die Jahre habe ich sie nicht aus den Augen verloren. Dabei ging es mir nicht um die 50 Pfennig, sondern darum, das Böse immer im Blick zu haben. Je älter sie wurde, desto schlimmer wurde es – zu ihrer Geldgier gesellte sich auch noch Machtgier.  Sie hat den für sie einzig richtigen Beruf gelernt (und zwar Bankkauffrau),  später hat sie Finanzwirtschaft studiert. Viele Jahre hat sie in einer Bank im Inkassobereich gearbeitet.  Später wechselte sie zu einem großen Bankenkonsortium und machte da Karriere. Es verwunderte mich nicht, dass dieses Konsortium mit für die Bankenkrise 2008 verantwortlich war. Ein Jahr später wechselte sie in die Politik und war dann mit für die Überwachung der Banken verantwortlich. Hat man da die Böckin zur Gärtnerin gemacht? Oder wollte man nur einen Experten, der weiß, wie Bankenkrisen gemacht werden?
Egal – sie hat jedenfalls nie geheiratet, hat auch keine Kinder bekommen und die Männer bezahlt sie für Sex. Woher ich das weiß? So bin ich an meine 50 Pfennig gekommen – mit Zins und Zinseszins!

***

Heute möchte ich über ein Erlebnis berichten, welches erst in der Zukunft stattgefunden haben wird. Es ist aber bereits ein fester Bestandteil meiner Erinnerungen. Ich nenne dieses Erlebnis:

„Zurück auf Los“

Heute ist ein schöner Sommertag, die Sonne scheint und es weht ein angenehm frischer Wind. Ich wandere durch den Teutoburger Wald. Es ist am frühen Nachmittag, als ich einen Aussichtsturm erreiche. Nichts kann mich halten und ich ersteige den Turm. Das dankt er mir mit einer wunderbaren Aussicht über den Wald. Da ich Zeit habe, nehme ich mein Sitzkissen aus dem Rucksack und setze mich. Eine kleine Stärkung ist jetzt angebracht, ich esse eine Banane und ein paar Kekse. Ein Schluck aus meiner Wasserflasche lindert den Durst. Ich schließe leicht die Augen und lausche der Natur.

Oh nein, ich bin wohl eingeschlafen. Es ist bereits dunkel, dabei geht um diese Jahreszeit die Sonne doch erst nach 21 Uhr unter! Da ich kein Uhr-Mensch bin, suche ich mein Handy, um nach der Uhrzeit zu sehen. Aber der Akku scheint leer zu sein, dabei hatte ich es letzte Nacht aufgeladen! Die Akkus sind auch nicht mehr das, was sie mal waren… Ich versuche aufzustehen, aber alle Knochen sind steif von der unnatürlichen Schlafposition. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Turm verlassen soll; der Wald macht unheimliche Geräusche, und Lust auf eine Begegnung mit wilden Tieren habe ich auch nicht. Ich sollte vielleicht bis zum Tagesanbruch hierbleiben, denke ich bei mir.

Da höre ich schwere Schritte die Treppe hochsteigen. Ich denke noch: Wer klettert denn hier nachts den Turm hoch? Ich entscheide mich, zu warten und überraschen zu lassen. Still sitze ich da und warte auf den nächtlichen Besucher. Endlich hat er die Plattform erreicht, ich höre es deutlich an den Schritten, aber ich sehe niemanden. Es läuft mir eiskalt den Rücken runter. Dann höre ich die Stimme: „Hallo, Det, ich habe auf dich gewartet!“ Vor Angst bringe ich keinen Ton hervor und zittere am ganzen Leib. Die Stimme lacht und erzählt weiter:

„Wie du es schon gemerkt hast, bin ich der Geist dieses Turmes. Ich war ein Arbeiter, der diesen Turm mit gebaut hat, ich kam bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Da wir alle Schwarzarbeiter waren und man eine Untersuchung verhindern wollte, wurde ich einfach am Fuß des Turmes verbuddelt und seitdem spuke ich hier jede Nacht. Aber nur sehr selten ist jemand um diese Uhrzeit auf dem Turm. Die letzten waren drei Jugendliche, die ich fast zu Tode erschreckte, die waren so schnell den Turm runter gerannt, das glaubt man kaum! Warum rennst du denn nicht um dein Leben?“

„Da ich dich nicht sehe, würde ich wahrscheinlich genau in deine Arme laufen. Ich glaube auch nicht mehr, dass du mir etwas tun willst. Du kennst meinen Namen und hast auf mich gewartet, so waren deine Worte. Also willst du etwas von mir… Kann ich dir helfen, willst du Gerechtigkeit?“

„Oh nein, am Anfang vielleicht, jetzt ist mir das egal. Ich möchte, dass du mir deine Lebensgeschichte erzählst.“

„Was willst du?!?“

„Du sollst mir Geschichten aus deinem Leben erzählen, danach lasse ich dich in Ruhe und gebe dir sogar noch ein Geschenk.“

Das hört sich für mich gut an, ich glaube ihm und beginne mit dem Erzählen. Keine Ahnung, wie lange ich erzählte, als er mich unterbricht:

„Ich danke dir für deine schönen Geschichten. Hier ist mein Geschenk an dich, du darfst einen Wunsch äußern. Wenn er mir gefällt, erfülle ich ihn dir.“

Da ich gerade meine Lebensgeschichte erzählt habe, war mein spontaner erster Wunsch: Ich möchte mein Leben nochmal neu gestalten. Deshalb sage ich: „Ich möchte zurück auf Los.“

Der Geist lacht lauthals los, dann sagt er: „Ein schöner Wunsch, ich werde ihn dir erfüllen, die Zeit wird um 50 Jahre zurückgestellt – natürlich nicht nur für dich, sondern für alle Menschen auf der Welt, sonst würde es nicht funktionieren. Durch deinen Wunsch werde auch ich wieder leben. Ich werde nun dreimal in die Hände klatschen und dann wird das Rad der Zeit sich um fünfzig Jahre zurückdrehen! Übrigens, ich kannte deinen Wunsch schon vorher, denn dieses Gespräch hat insgesamt schon 24mal stattgefunden, und dein Leben ist immer gleich abgelaufen.“

Dann klatschte er lachend dreimal in die Hände.